Seite wählen

Sportlich in Kreuzberg {12tel Blick August 2020}

01.09.2020 | 12tel Blick 2020, Berlin/Umland, Unterwegs

Sportlich in Kreuzberg

Warum sportliches Kreuzberg? Wenn so viele Menschen in einer Stadt zusammen leben, dann brauchen sie auch etwas Abwechslung. Besonders junge Menschen müssen ihre überschüssige Energie irgendwo ablassen. Es ist der Sport, der allen eine Erholung bietet. Denjenigen die unsportlich auf den Rängen sitzen, genauso wie denen, die sich auf dem Spielfeld austoben. Sportlich ist man dann auf jeden Fall.

Wir schreiben das Jahr 1811. Zu diesem Zeitpunkt hatte der nationalistische Friedrich Ludwig Jahn, kurz Turnvater Jahn genannt, in der Hasenheide in Neukölln, an der Grenze zu  Kreuzberg, einen Sportplatz gegründet. Sein Anliegen war, dort die jungen Deutschen wehrhafter gegen Napoleon zu machen. Was man noch über den Sportbegeisterten und Pädagogen wissen muss, kann man bei Wikipedia nachlesen. Sein Wahlspruch war immer Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei. Auch wenn es für Herrn Jahn politisch zuging, die Jugend profitierte von seinem Tun. Die Schulen förderten das Turnen bzw. Leibesübungen erst in Hallen und später auch draußen auf dem Feld.

Aber manchen sportlichen jungen Männern ist das nicht genug. Sie wollen sich richtig austoben. Einem Ball hinterher jagen. Fussball und andere englische Spiele (Cricket, Rugby) sind 1891 mächtig gefragt. Das Spielen mit dem Ball steht teilweise sogar unter Strafe, weil Lehrer und Eltern diesem Sport sehr misstrauisch gegenüber stehen.
Der älteste deutsche Fußball-Club ist der BFC Germania 1888, den der 17 jährige Schüler Paul Jestram zusammen mit seinen Brüdern und Schulfreunden, in der elterlichen Wohnung in der Kreuzbergstraße gründete.
Nicht desto Trotz, wird am 11. September 1897 im „Dustren Keller“ in der Bergmannstraße, der Vereinskneipe des BFC Preussen, der Verband Deutscher Ballspielvereine gegründet. Sechs Berliner Fußballvereine schlossen sich dabei zusammen. Nach mehrmaliger Umbenennung existiert der Berliner Fußball Verband bis heute. Den Spielern war es damals sehr wichtig, dass man kameradschaftlich, respektvoll und freundlich miteinander umging.

Sportbehörde und Georg Demmler

1898 wurde in der Friedrichstraße die Deutschen Sportbehörde für Athletik gegründet. Anfangs stand sie nur für Turnen und eben Athletik, nahm dann aber auch die Fußballer bis 1934 unter ihre Fittiche. Georg Demmler war einer der Begründer des Verband deutsche Ballspielvereine. Neben seinen Erfolge als Sportler entwarf er auch das Katzbachstadion und die Kreuzbergterrassen in denen heute einer der beliebtesten Biergärten Kreuzbergs untergebracht ist, dem Golgatha.
Die Regeln werden vereinheitlicht und die Spiele regelmäßiger angesetzt. Die Menschen lieben den Fußball. In dem Katzbachstadion können 12.000 Menschen dem Ballspiel zuschauen. Bis zur Gründung der Bundesliga, sind es die Spiele in den unteren Ligen, die die Besucher anziehen. Im Laufe der Jahre finden in dem Katzbach-Stadion verschiedene Vereine ein Zuhause. Seit Ende der 1980 Jahre, ist das Stadion mit Unterbrechungen,  die Heimspielstätte von Türkiyemspor.

Sportlich, aber nur für Männer?

Die Frauen damals, waren laut Rudolf Virchow „Weiblichkeit ist abhängig von den Funktionen des Eierstocks[..]. Das Weib ist eben nur Weib durch seine Generationsdrüse[…]“… Was soll man dazu noch sagen? Obwohl Herr Virchow es trotzdem befürwortete, dass Frauen als Ausgleich zu ihrer schweren körperlichen Arbeit körperliche Ertüchtigung machen sollten. Alleine schon durch die Kleidung und den Sittenvorstellungen der Zeit, waren die Damen in Sachen Sportlichkeit eingeschränkt.
Durch die Industrialisierung kamen aber auch die Frauen zum Zug. Der menschliche Ehrgeiz in aller Welt, zu den Besten und Fortschrittlichsten zu gehören, machte auch vor der Entwicklung der Körperertüchtigungsformen keinen Halt. Es gab bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts  zu wenige Frauen, die sich mit der menschlichen Anatomie auskannten, zu wenige Sportlehrerinnen und Ärztinnen. Der Mann bestimmte, was den Frauen gut tat. Gesittet wurden Keulen geschwungen oder ein Bällchen hin und her geworfen. Sie durften zur Belustigung der Herrschaften Sport treiben.

Erst der Arbeiter-Turner-Bund schrieb sich die Gleichberechtigung auf die Fahne. Die Damen wurden immerhin zu den Mitgliedern gezählt. Allerdings waren ihre Aktivitäten immer noch stark eingeschränkt. Erst 1925 wurden die haarsträubenden Erklärungen (Die Organe könnten bei Grätschen oder Springen verrutschen und eine Gebärfähigkeit in Frage stellen!), wieso Frauen keinen Sport treiben sollten, von Ärztinnen widerlegt.  Trotz aller Vorbehalte engagierten sich in den 1920er-Jahren mehr und mehr Mädchen und Frauen im Sport, in traditionellen Sportarten wie Schwimmen, Tennis  oder Leichtathletik, aber auch in für Frauen neu erfundenen Sportarten.  Handball etwa diente als Ersatz für Fußball, ein Spiel, das in Deutschland für Frauen absolut tabu war…“

In der NS-Zeit wurden die errungenen Fortschritte wieder zurückgeschraubt. Sportlerinnen wie Lilli Henoch wurden wegen ihres Glaubens deportiert. Tatsächlich habe ich nichts über den weiblichen Sport in Kreuzberg gefunden. Noch heute haben Frauen Schwierigkeiten, sich in den männerdominierten Sportarten einen Namen zu machen. Und doch findet man in Kreuzberg Boxsport und Fußball für Mädchen. Immer noch lassen sich Mädchen durch Jungen den Sportunterricht vermiesen. Einen interessanten Artikel dazu findest du hier.

Mein 12tel Blick

Noch ein paar Worte zu meinem Blick, den ich wieder bei Eva verlinke. Ich habe einen kleinen Spaziergang durch den Park gemacht und wieder einmal gestaunt, wie hübsch der eigentlich ist. Ich fand es nur sehr schade, dass einige Bürger das wahrscheinlich gar nicht zu würdigen wissen, welche Schönheit vor ihrer Tür liegt. Nach den vergangenen Partys werden die Flaschen vergessen oder zertrümmert, Müll wird einfach in die Büsche geworfen und manches sogar demoliert. Dazwischen sitzen Menschen am Wasserfall auf den Steinen und genießen die Illusion, in den Bergen zu sein. Sogar den Rettungsring hat man mal wieder gestohlen…

6 Kommentare

  1. Nicole/Frau Frieda

    Turnvater Jahn?! Ach, Andrea.. wie oft habe ich diesen Namen schon gehört. Mein Papa hat zuerst sehr erfolgreich Feldhandball gespielt, zwischendurch Fussball und dann zur Leichtathletik gewechselt. 10 Kampf. Bis vor fünf Jahren war er noch aktiv und hat auch noch das Sportabzeichen abgenommen. Jetzt wird er nächsten Monat 90 Jahre und ist fast erblindet, aber Sport ist immer noch sein Leben.
    Das mit den wilden Feten ist echt eine Sauerei.. ich verstehe Deine Verärgerung sehr gut! Du hast schon recht, ab auf den Sportplatz statt in die Ränge.
    Herzlichst, Nicole

    Antworten
  2. Pia

    Das war jetzt sehr interessant zum lesen. Sollte ich es auch einmal nach Berlin schaffen möchte ich unbedingt auch nach Kreuzberg. Ich habe mir die Stadt immer fürs Alter aufgeschoben. Zur Zeit zieht es mich aber gerade nirgend hin.
    L G Pia

    Antworten
  3. Rosa Henne

    Liebe Andrea,
    mit viel Interesse habe ich wieder deinen 12tel-Blick gelesen. Wie gut, dass wir Frauen im 2020 leben, auch wenn ich selbst nur noch Fahrrad fahre oder Nordic-Walking betreibe. Früher hatte ich auch eine Zeit lang Handball gespielt.
    Dass die Menschen in den Parks feiern, finde ich ok. Aber, dass sie ihren Müll nicht beseitigen, finde ich erbärmlich…
    Schön, wie sich dein 12tel-Blick immer verändert!
    Liebe Grüße
    Ingrid

    Antworten
  4. Astridka

    Sehr interessant, Kreuzberg und der Sport! Tja, da kann man sich nur die Haareraufen ob der verrutschten Eierstöcke! Gerade zum Frauenfußball habe ich aus diversen Gründen enge Beziehungen ( ohne dass ich was davon verstehe ). Zum Keulenschwingen auch 😄
    Am Wochenende habe ich mich auch in Berlin herumgetrieben ( Nein, nicht da! Virtuell!). Da war ich viel unterwegs in Charlottenburg und Steglitz und hab mich geärgert, dass ich mich nicht immer so recht auskenne, Aber vielleicht kannst du dir das dann mal anschauen, das Porträt der beeindruckenden Berlinerin kommt am 17.9…..
    Habs Fein!
    Astrid

    Antworten
    • Andrea Karminrot

      Ich bin gespannt. Vielleicht kann ich dir noch passende Bilder liefern

      Antworten
  5. nina. aka wippsteerts

    haha, Handball statt Fußball! Da hat noch keiner von denen, die meinten Fußball sei zu brutal, Handball gespielt! Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Zeit als Handballerin und wie heftig das ausfallen konnte. Aber abgesehen davon, mag ich Deine Geschichtsreise zu Deinem 12. Blick wieder sehr!
    Liebes Dankeschön und Grüsse
    Nina

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert