Das Berliner Reichstagsgebäude steht im Tiergarten, auf dem damaligen Königsplatzes, dem heutigen Platz der Republik. Wie es dazu kam, möchte ich dir heute erzählen…
1867 tagte der Reichstag noch in der Leipziger Straße, im Gebäude des Preußischen Herrenhauses. Der Reichstag war damals noch nicht vom Volk gewählt. Die Tagenden waren vom König bestimmt, haben den Sitz geerbt oder waren vom König ernannte Prinzen. Wer sich mehr damit auseinander setzen möchte, dem empfehle ich diesen Link (Preußisches Herrenhaus) Das Gebäude wurde aber zu klein, als Deutschland sich 1871 zum Deutschen Reich zusammenschloss, weshalb man nach einer Alternative gesucht hatte. Es sollte ein würdiger Bau sein. Darüber war man sich einig, aber wohin mit dem Bau?
Wohin mit dem Reichstagsgebäude?
Auf der Ostseite des Königsplatzes, wäre ein hübscher Platz. Aber da steht das Palais des polnischen Diplomaten Graf Raczyński. Dem gefällt dieser Gedanke so gar nicht. Er weigert sich strikt, sein Palais herzugeben. Einen anderen Standort, dichter am Stadtschloß finden die Abgeordneten nicht gut, da man vermuten könnte, dass sie gemeinsame Sache mit dem König machen könnten. Der König will den Grafen aber auch nicht enteignen. 1874 erledigt sich der Streit auf natürliche Weise. Der Graf verstirbt und sein Sohn hadert nicht lange und verkauft an den Preußischen Staat. Aber erst im Jahr 1881 erwarb der Reichstag das Gelände.
Wieder hatten die Parlamentarier ihre Schwierigkeiten, denn der Architektenwettbewerb für den Neubau, fand schon 1872 statt, den Ludwig Bohnstedt gewonnen hatte. Nun also noch einmal ein weiterer Wettbewerb bei dem nur „Architekten mit deutschen Zungen“ zugelassen waren. Aus 189 anonymen Bewerbungen zog man die Pläne von Paul Wallot aus dem Stapel. 1883 wurde der Haushalt genehmigt und Paul Wallot hatte eine Menge Arbeit. Nicht nur, dass es eine Herausforderung ist das Reichstagsgebäude zu bauen. Dazu kam, dass es eine dauerhafte Auseinandersetzung mit den Parlamentariern und der Bauabteilung des preußischen Ministerium gab. Wallot schien stets ruhig zu bleiben. Doch in persönlichen Briefen beklagte er sich wohl.
Trotz aller Widrigkeiten konnte am 9. Juni 1884 der Grundstein gelegt werden. Es war ein regnerischer Tag und die Parlamentarier waren mäßig vertreten, dafür um so mehr Militär. Als Kaiser Wilhelm I den Grundstein mit dem Symbolischen Hammer in den Grund schlug, zersprang das Werkzeug. (Sollte das ein böses Ohmen sein?)
Der Bau des Reichstagsgebäudes
Immer wieder wurden dem Architekten Steine in den Weg gelegt. Immer wieder musste er seine Pläne ändern. So wurde die Kuppel, die eigentlich in der Mitte über dem Plenarsaal aus Stein gebaut werden sollte, weiter nach vorne verlegt. Doch während der Bauphase kam Wallot immer mehr zu der Überzeugung die Kuppel sollte in der Mitte stehen. Inzwischen waren aber die tragenden Wände aufgebaut und viel zu schwach um eine steinerne Kuppel zu tragen. Es sollte eine andere Lösung her. Eine Konstruktion aus Stahl und Glas, die statt 85 Meter nur noch 75 betrug wurde von dem Bauingenieur Hermann Zimmermann entworfen. Ein Konstrukt, das seines Gleichen suchte.
Kaiser Wilhelm I., anfangs noch sehr dem Bau und dem Architekten gegenüber positiv gestimmt, bezeichnete alsbald das Reichstagsgebäude als „Gipfel der Geschmacklosigkeit“, eine „völlig verunglückte Schöpfung“ und schmähte es inoffiziell als „Reichsaffenhaus“.
Wallot verband in dem Reichstagsgebäude verschiedene damals gängigen Bauformen, dazu noch der moderne Kuppelbau und schon gab es viele Meinungen zu dem Bau. Einige verspotteten („Leichenwagen erster Klasse“), einige lehnten ab und wieder andere lobten. Am 5. Dezember 1894 wurde der Schlussstein des 24 Millionen Goldmark teuren Gebäudes gelegt und der Kaiser durch die fertigen Räume geführt. Dieser lobte, aber in seiner Thronrede zur Reichstagseröffnung sprach er diese Worte:
Möge Gottes Segen auf dem Hause ruhen, möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel sein, das alle zur Arbeit in seinen Räumen Berufenen in selbstverleugnender Treue anstreben
Modern aber zu klein
Das Reichstagsgebäude war modern. Es gab Doppelfenster, Wasserspülungen für die Toiletten, Telefone, ein eigenes Kraftwerk für Strom, Heizung mit Temperaturfühler. Es gab viele Sprechzimmer, eine riesige moderne Bibliothek, Garderoben- und Waschräume. An was es fehlte waren die Arbeitsplätze für die Parlamentarier! Was nütze einem Abgeordneten die schönen hölzernen „deutsch“ verzierten Wände, wenn er keinen Stuhl fand, auf den er sich setzen, oder einen Tisch an dem er lesen oder schreiben könne…
Das Gebäude war tatsächlich zu klein für die vielen Abgeordneten. In den 1920er Jahren wurde geplant, eine Erweiterung anzubauen. Doch dazu kam es nie.
Über dem Eingang des Westportals, gab es Platz für eine Inschrift. „Dem deutschen Volke“ sollte dort stehen. Aber immer wieder führte es zu lebhaften Diskussionen und angeblich war es dem Kaiser gar nicht recht, was über dem Portal stehen sollte. 20 Jahre lang blieb der Platz leer. Erst im Herbst 1915 wurden zwei erbeutete Geschützrohre aus dem Befreiungskriegen 1813-1815 eingeschmolzen und der Schriftzug über den Eingang gehängt. Der Kaiser erteilte dazu nicht seine Genehmigung, er habe aber auch nichts dagegen, wenn die Reichstagsausschmückungs-Kommission einen solchen Beschluss fasse.
… Fortsetzung folgt
Der fünfte 12tel Blick
Ich habe meinen 12tel Blick ein wenig vernachlässigt. Die Bilder stammen tatsächlich aus dem Mai. Doch fand ich bisher noch nicht die Zeit sie endlich ins Netz zu stellen. Auch meine Geschichten über den Tiergarten nehmen mehr Zeit in Anspruch. Weshalb ich den „Reichstag“ auch in zwei Geschichten verpacke. Zum 1. Juli werde ich den Reichstag dann abschließen.
Im Mai haben sich mal ein paar Besucher am Strand der Spree eingefunden. Es war etwas warm, aber auch sehr windig. Mit dem Kerl habe ich eine kleine Runde über die Brücken und auf die Reichstagsseite gemacht. Die paar Meter fallen ihm immer noch etwas schwer. Aber Bewegung tut not!
Der Blick ist längst schön grün. Und wir haben es auch sehr genossen in der Sonne spazieren zu gehen. Schau mal, das ist mein Standort, dort drüben. Siehst du ihn? Ich brauchte ihn auch gar nicht zu markieren, das hat schon ein Anderer für mich übernommen. So kann ich immer vom selben Platz aus meine Bilder machen. Als ich Kind war, war dort auf der anderen Seite der Spree fast nichts zu sehen. Ein oller vernachlässigter Hafen und viele Wachmänner.
Und heute scheint es fast, als hätte einer eine Menge Farbe und lustig bunte Steine über die Ufer gekippt. Jedesmal, wenn ich dort hin fahre, sehe ich wieder etwas neues. Rechts neben dem weißen Haus, steht das Futurium. Wir waren dort noch nie drinnen, haben es uns aber auf die Liste der zu besuchenden Gebäude geschrieben. Es muss echt spannend sein.
Wieder auf der ehemaligen Mauerseite, der Blick Richtung Charlottenburg. und in die andere Richtung schaut man nach Mitte. Auf die „Bundeswaschmaschine“ Dem Kanzleramt.
Jetzt muss ich nur noch rasch bei Eva’s 12tel Blick im Mai verlinken. Ich hoffe ich komme nicht zu spät! Oh… Ich habe noch ein paar Tage Zeit.
Liebe Andrea,
endlich habe ich jetzt mal deinen neuen Beitrag zum 12tel-Blick gelesen. Sehr interessant! Ich freue mich schon auf den nächsten. Und ich werde dies per Mail an meinen Mann weiterschicken. Ihn interessieren deine Berlingeschichten auch. Er wurde in Rathenow an der Havel geboren. Kurz vor dem Mauerbau flüchtete die Familie nach Süddeutschland.
Sehr schön ist, dass in deinem Mai die Bäume so viel Grün haben und auch der Rasen satter erscheint. Ich mag deinen Berliner 12tel-Blick sehr.
Deinem Mann wünsche ich weiterhin gute Genesung!!!
Ganz liebe Grüße
Ingrid
Liebe Andrea,
vielen Dank für diese Plauscherei sowie die An- und Einblicke in dein Berlin. ♥
Liebe Grüße
Anni
Deine Berliner Serie führt einen richtig spannend durch die Historie. Das gefällt mir! Danke für deine Recherchearbeit!
Jetzt wird es noch grüner und auch belebter auf deinem 12tel-Blick. Den grauen Beton würde ich gern bepinseln. Ich bin halt ein subversives Element…
Liebe Grüße
Andrea