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Reicht dir das? {Samstagsplausch 24-19}

11.05.2024 | Samstagsplausch

„Darf ich dir mal ein paar prekäre Fragen stellen?“, fragte mich diese Woche ein Kollege. „Reicht dir das, was du hier machst eigentlich? Immerhin machst du das ja auch schon 40 Jahre!“ Ich war erst ein bisschen irritiert, als der junge Mann mich das gefragt hatte. Er hat selber den Beruf der Krankenpflege gelernt und sich dann für einige Zeit auf Minijob zurückschrauben lassen, weil er sein Abitur nachholen wollte. Nun ist er wohl an einem Punkt angekommen, bei dem er sich um seine Zukunft Gedanken macht. Der Satz „Reicht dir das?“ hat mich ein bisschen grübeln lassen.

Reicht dir das?

Wie gesagt, ich habe ein bisschen nachgedacht. Aber ja, mir reicht das. Ich liebe meinen Beruf! Ich mag es Menschen wieder auf die Beine zu helfen, sie zu begleiten, in welche Richtung sie auch gehen mögen. Nach Hause oder über die Brücke. Es gefällt mir da zu sein und den Menschen zu unterstützen. Ich habe tatsächlich Freude an meinem Beruf. „Aber wie hast du das so lange ausgehalten, immerhin 40 Jahre?“ Als ich ausgelernt habe, da war noch alles etwas ruhiger. Ich konnte mich auf den Menschen voll und ganz konzentrieren. Wir hatten Zeit, mit den Patienten zu reden, uns mit ihnen auszutauschen. Wir hatten ausreichend Zeit, weil die Medizin einfach noch nicht so schnell war.

Ein Herzinfarkt-Patient lag einige Wochen bei uns im Krankenhaus. Einen Herzkatheter gab es noch nicht und wenn das Herz einen Schaden hatte, dann musste man mit dem Umstand leben lernen, dass man einfach nicht mehr so fix war wie vorher. Man musste sein Leben umstellen, gesünder, langsamer leben. Heute bekommt man schnell mal einen Stent eingesetzt, was ich nicht verkehrt finde. Aber dass man den Infarkt aus einem besonderen Grund bekommen hat, verschwindet aus den Köpfen der Menschen. Ist ja heute schnell behoben, dass man dem Sensenmann gerade von der Schippe gesprungen ist.

An dem Tag, als der junge Kollege mir die Fragen gestellt hatte, war ein alter Kollege von mir im Dienst. Auch er ist schon so lange in diesem Beruf und wir arbeiten schon fast so lange zusammen, wie ich auf der Kardiologie arbeite. Wir haben gelernt, mit der Hektik, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hat, zu leben. Damals ging es wie gesagt ja auch noch sehr angenehm ruhig zu. Wir sind an unseren Aufgaben gewachsen. Und natürlich stresst uns die Hektik, die heute herrscht ebenso wie die Jungen. Ich habe nur für mich einen Weg gefunden, damit klarzukommen. Schwierig, es dem jungen Mann zu erklären.

Und wie ist das mit dem Geld?

Klar hätte ich gerne mehr Geld! Wer nicht? „Wolltest du dir nie ein Haus bauen? Ein dickes Auto fahren? Einfach mal teuer und schick Essen gehen?“ Nö, nö, und ja mache ich manchmal! Es gibt viele Berufe, die nicht angemessen bezahlt werden! Und ich frage mich manchmal, warum ein Fußballer so viel Geld bekommt, damit er seinem Hobby nachgehen kann. Aber ich bin nicht neidisch und komme (gezwungenermaßen) mit dem klar, was ich habe.

Ich brauche kein dickes Auto und bin auch nicht neidisch auf die, die eines fahren. In Berlin kommt man gut mit den Öffentlichen zurecht und ich fahre sehr gerne mit meinem Fahrrad (das gerne teuer und erstklassig sein darf!) Ich habe ein kleines Auto, wenn ich vor die Stadt fahren möchte und mir geht es gut. Ich komme eher darauf, dass man minimalistischer leben könnte und entsorge inzwischen einigen Ballast. Er schaute mich etwas skeptisch an und ich schien ihn ein bisschen zum Nachdenken zu bringen. „Also reicht dir das?“ Ja und nö! Ich bin gespannt, wie er demnächst sein Leben leben wird …

Meine Woche

Viel war nicht los, in dieser Woche. Ich musste arbeiten und hatte wirklich Spaß mit den Kollegen, die da waren. Meinem Rücken geht es immer noch nicht gut, aber am nächsten Dienstag bin ich bei meiner Ärztin. Die Tour mit dem Rad zur Arbeit und zurück bekommt meinem Rücken immer sehr gut und entlastet. Außerdem passen die meisten Kollegen auf, dass ich mich nicht übernehme.
Ich war zweimal Eisessen und hatte dabei nette Gespräche. Ich bin wieder am Stricken, nachdem ich ordentlich geribbelt habe. Mein aktuelles Buch ist mir zu französisch, weshalb ich nicht weiß, ob ich es nicht abbrechen soll.

An diesem Wochenende müsste ich endlich mal meine Rezensionen schreiben, ich würde gerne mit dem Kerl in der Sonne sitzen, meinen Pullover weiter stricken, ein neues Buch anfangen, lecker Essen gehen, noch einmal Eisessen, … du siehst mein Plan ist voll.

Reicht dir das?

Hat dir es immer gereicht, was du gemacht hast? Bist du ein Jobhopper? Oder bist du wie ich schon ewig dabei und möchtest auch niemals etwas anderes machen? Bist du glücklich mit dem, was du gelernt hast und füllt es dich aus? Schwere Fragen im Samstagsplausch …

Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug

(Epikur von Samos)

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12 Kommentare

  1. Bienenelfen

    Ach ich kann Dich gut verstehen liebe Andrea, mir ging das auch so. Ich habe meinen Beruf als Arzthelferin auch geliebt und all die Dinge die man dazu braucht. Heute wenn ich die Mädels sehe denke ich oft warum geht denn da niemand ans Telefon ? Ich musste mehr Sachen auf einmal machen und gerade das hat mir so viel Spaß gemacht. Mit meinem Wecker im Kittel ,damit ich den Zucker am Photometer ablesen konnte, habe ich dazwischen oft ein EKG gemacht und all diese Dinge die diesen Beruf so abwechslungsreich machen und dennoch habe ich einmal ein paar Jahre etwas anderes gemacht weil ich mir einfach keine „Alte Arzthelferin“ vorstellen konnte. Das habe ich damals auch zu Mama gesagt:“ Kennst Du eine alte Arzthelferin ?“ :-)))) Gut dass Du mit vollem Herzen dabei bist liebe Andrea!!

    Liebe Grüße
    Kerstin die jetzt die alte Arzthelferin wäre…

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  2. Anita

    Liebe Andrea,
    eine sehr spannende Frage stellst du heute (bzw. gestern, ist ja schon Sonntag heute). Ich habe mich durch die Kommentare gelesen und komme ins Nachdenken, ins Grübeln… reicht mir das, was ist, oder reicht es mir nicht. Möchte ich etwas ändern und wenn ja, was… Vielen Dank für diese Anregung zum Nachdenken, ich bin sicher, die Frage wird mich viele Tage beschäftigen und das ist gut so. Manches, was derzeit im Leben 1.0 um mich herum passiert, reicht mir in Sachen Geduld und Haushalten mit den Kräfte mehr als genug, ich bin froh, wenn ich an so manches fremdgesteuertes Tohuwabohu endlich ein Häkchen setzen kann. Vieles im Leben Erschaffene reicht mir mehr als genug, es geht mir/uns gut. Mehr geht immer, weniger aber eben auch. Und so ist vermutlich doch alles gut, wie es ist. Dennoch… die Gedanken kreisen um deinen Gedankenanstupser und so wird nicht alles als selbstverständlich oder dem Schicksal ergeben hingenommen. Ich denke weiter drüber nach. 🙂 ♥
    Herzensgrüße und hab einen wunderschönen Sonntag
    Anita

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  3. Catrin

    Ich glaube, mir reicht, was ich habe und natürlich würde ich z. B. vom Geld mehr nehmen. Aber im Job bin ich mit dem, was ich mache, sehr zufrieden und das schon seit fast 23 Jahren. Von manchem Kummer und anstrengenden Dingen im Leben hätte ich gern weniger, das reicht mir also auch 😀
    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende mit lieben Grüßen,
    Catrin.

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  4. Trillian

    Von 40 Jahren in einem Job habe ich früher geträumt. Hat sich nicht ergeben. Aber jetzt ist es auch gut, wie es ist.

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  5. Brigitte

    Familie, Freunde, Fagott spielen mit meinem Freund
    garteln, schwimmen, stricken …

    mit den Enkelinnen Quatsch machen und sie verwöhnen , mit den Kindern im Garten arbeiten und dann dort Kaffee trinken und plaudern…

    Konzerte hören und im Orchester spielen

    das alles macht das Leben bunt, auch wenn ich nicht der erste Mensch auf dem Mond wurde und vom Tierarzt zum Menschenarzt mutierte….das Leben ist schön!

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  6. Agnes

    Reicht dir das? Interessante Frage. Ich bin jetzt 72 Jahre alt. In jungen Jahren mussten wir sehr sparen um uns das kleine Haus bauen zu können. Wir haben viel selbst gemacht, besonders mein Mann. Nur so konnten wir sparen. Ich habe 10 Jahre als kaufmännische Angestellte voll mitgearbeitet bis die Kinder geboren wurden. Danach bin ich nach 7 Jahren wieder angefangen zu arbeiten, allerdings immer 50% und später 75%. Habe für die Kinder genäht, Gemüse im Garten angebaut, eingekocht usw. Hätte später auch ein besseres Gehalt verdient gehabt…..leider werden/wurden Frauen immer unterbezahlt, auch weil man sich nicht getraut hat…. Nun ist mein Mann vor 2 Jahren tödlich verunglückt. Nur weil ich/wir Eigentum und gut gewirtschaftet haben, bin ich in der Lage das Haus zu unterhalten und einigermaßen gut zu leben. Das reicht mir. Wichtig ist doch, dass man zufrieden ist. Sicherlich, viele haben mehr, aber viele haben auch weniger. Ich hatte mir das Alter zusammen mit meinem Mann vorgestellt, ist leider anders gekommen. Ich bin noch ehrenamtlich tätig, bearbeite Papiere für Menschen, die erst seit einigen Jahren in Deutschland leben, helfe bei Arbeitssuche und Ausbildungssuche, schreibe Lebensläufe, suche Wohnungen usw. Dadurch habe ich soziale Kontakte, kann Erfolge verzeichnen und bin zufrieden. Freue mich über meinen Garten und lausche den Vögeln. Wichtig ist, dass man gesund bleibt und mit dem zufrieden ist, was man hat.
    Aber dein Kollege ist noch jung, er hat noch viele Möglichkeiten. Da ist es nicht verkehrt sich diese Frage zu stellen.
    LG Agnes

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  7. Mira

    Reicht dir das? Ein schwieriges Thema. Finanziell reicht es derzeit überhaupt micht, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Daran bin ich selbst schuld, hab mich über den Tisch ziehen lassen. Ich kann es auch nur selbst ändern, und das wird zum Glück auch gelingen, weil der Vertrag, der mich mehr kostet, als ich einnehme, zum Glück nur bis 31. Mai läuft. Und verlängern werde ich den definitiv nicht.
    Ansonsten… nun ich arbeite seit 2001 als Dozentin, bis 2021 freiberuflich, dann bis März diesen Jahres angestellt als Fachanleiterin. Das hätte ich gern bis zur Rente gemacht, auch wenn der Verdienst, nunja, für Miete und essen zumindest ausreichte. Der Job war sehr schön, hat mir viel Freude gemacht. Ich konnte für Menschen da sein, denen helfen, die sich nicht selbst helfen konnten. Leider warf das Projekt für die Firma zu wenig Gewinn ab, so dass es von der obersten Geschäftsleitung eingestampft wurde. Nur mein Projekt, die anderen laufen weiter, obwohl sie genausowenig abwerfen. Ich denke darüber nicht nach. Hat ja keinen Sinn. Nun bin ich seit April wieder selbständig. Setze momentan aber vom Ersparten zu. Nun muss ich schauen, dass sich bessere Verträge aushandeln lassen oder/und ich den Auftraggeber wechsle.
    Den Job selbst möchte ich sehr gern weiterführen. Es gefällt mir, Menschen etwas beizubringen oder sie zu betreuen. Nicht medizinisch, davon habe ich keine Ahnung, aber im Alltag. Da gibt es so viele Menschen, die mit der Gesellschaft, dem Sytem und überhaupt mit ihrem Leben nicht klar kommen. Wenn ich solchen Menschen beistehen kann, ist das doch ein richtig toller Job, den ich weitermachen möchte. Ja, das reicht mir.

    Ich finde es übrigens ganz toll, dass du. liebe Andrea, deinen Job so siehst. Alle Gute weiterhin dafür.
    Lieb grüßt die Mira

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  8. Nora

    Sehr interessantes Thema… Reicht dir das? Hmmmm, jain! Aber muss! Ich kam mit 28 nach Österreich, mit „0“. Bekam einen mickrigen Gehalt, was heute betrachtet, eine Frechheit vom Arbeitgeber war. Aber für mich war es (damals) unvorstellbar viel. Nach einigen Monaten kappierte ich schnell, dass es sich nicht ausgeht… so wurde auf „hilf dir selbst – hilf dir gott“ umgestellt. Ich kannte keine „Luxusgüter“, Annehmlichkeiten, kein Restaurant, Frisör, etc. Nur Sparflamme. Das „Schön/gut und günstig“ wu4de von mir perfektioniert. Hatte gelernt alles alleine zu machen! Von Wohnung sanieren bis Kleidung nähen. Ach ja, Wohnung… mein Prinzip Kredit statt Miete ist voll ausgegangen! Heute „lebe“ ich neben meiner (auch so mickrigen) Pension aus dem Erlös dieser. Viele beneiden mich um das, was ich mir geschaffen habe! Wenn ich kurz erwähne, worauf alles ich verzichten musste und was ich selbst gemacht habe, schütteln sie den Kopf… neee, das könnte ich nicht.
    Heute in Pension gehts mir gut! Aus Eigentum in Hauptstadt wurde einen Mini-Mietwohnung am Lande. Aus einer Mini-Rosthaube ist ein SUV geworden, ich gönne mir einen Frisör, Pediküre, Massagen, schöne Kleider (schön aber günstig), gutes Essen (selbsgemacht), Urlaube… Nur weil ich sehr gut mein ganzes Leben gewirtschaftet habe. Ob es genug war? Ja… ob ich (heute) zufrieden bin? Ja… Ob ich verzichten musste/muss? Ja, auf vieles! Aber ich bin zufrieden…

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  9. Gabi

    Moin, liebe Andrea,
    eine interessante Frage: Reicht dir das?
    Ich kann sie mit JA beantworten, ich bin fast 60, aber noch immer gehe ich gerne zur Arbeit, Hektik und Stress in der Praxis sind mehr geworden…da kann ich dir nur zustimmen, aber trotzdem JA, allerdings…wenn ich mein Hobby nicht hätte, oder nicht mehr Rad fahren könnte…dann würde das Ganze vielleicht anders aussehen.
    Also ich bin zufrieden und dankbar mit dem was ich habe und dass mich die Stürme meines Lebens nicht davon gepustet haben.
    Schönes Wochenende und fühl dich lieb umärmelt
    Gabi

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    • Brigitte

      ja, genau so ist es,
      .. ich arbeite nicht mehr, aber ich vermisse es auch nicht, mit fast 70 Jahren ist ein neuer Abschnitt erreicht, aber immer noch viele Ziele zu schaffen.
      Solange man noch Wünsche hat, sprudelt das Leben 😄

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  10. Karin Be

    Genau diese Frage kam in Gesprächen in dieser Woche immer wieder auf. Für mich ist sie schnell beantwortet: Ja!
    Es war meine Entscheidung nach 44 Dienstjahren zwei Jahre früher in den Ruhestand zu gehen, auch wenn es erhebliche Abstriche im Ruhegehalt bedeutete. Das war ich mir wert!
    Ich brauche keinen dicken Schlitten, wie sie in meiner von Autoindustrie beherrschten Region vorherrschen und nicht die Urlaube zu jeder Ferienzeit.
    Mir gefällt mein Leben, so wie es ist.
    Schönes Wochenende und viele liebe Grüße,
    KArin

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  11. Regula

    Berufe haben sich wohl alle geändert. Wenn ich auf die 41 Jahre zurückdenke, die ich als Lehrerin gearbeitet habe… nicht alles ist besser geworden, einiges schon.

    Die Jugendlichen haben sich verändert, die Eltern sind zum Teil super anspruchsvoll, aber auch hilflos.

    Früher habe ich Handarbeit und Kochen unterrichtet, heute Deutsch, Englisch, Geografie und Geschichte. Handarbeit heisst textiles Gestalten, Kochen WAH. Die Fächer haben tolle Namen bekommen, sind aber verkopft, die Ausbildung zum Lehrer ist verkopft. Das finde ich jammerschade.

    Noch gebe ich gerne Schule, habe aber trotzdem auf den Sommer gekündigt. Wohlweislich, denn weniger geht nicht, wenn Lehrermangel ist, was natürlich ein Paradoxon ist. Aber wenn mein Arbeitgeber nicht Sorge trägt, muss ich das selber tun. Lieber mache ich Stellvertretungen, dann kann ICH ja oder nein sagen.

    Alles Gute in deiner Tätigkeit!

    Regula

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