Mir ist diese Woche aufgefallen, dass ich schnell in eine Art Schubladendenken verfalle. Ich bin da wahrscheinlich gar nicht alleine. Also stell dir mal vor, du liest einen Roman. Eine Liebesgeschichte oder was auch immer. Die Protagonisten haben Namen, aber sie werden nicht beschrieben, außer wie alt sie sind, wo sie leben und was sie so machen. Als Mensch mit einer weißen Hautfarbe ist der Protagonist unter Garantie auch weiß! Oder denkst du da anders?
Schubladendenken
Das ist nur eine Schublade! Eine andere Schublade ist, dass man ziemlich schnell über jemanden urteilt, der ein bestimmtes Auto fährt. Der kann nur hochnäsig oder anstrengend sein. Oder der Mensch der dort mit den abgeranzten Klamotten unterwegs ist, der lebt bestimmt auf der Straße. Wie schnell packen wir den Menschen in eine Schublade und machen den Deckel einfach zu, ohne ihm eine Chance zu geben.
Ich habe oft ein Schubladendenken. Und meistens haben die Personen, die in einer dieser Laden landen, es schwer dort wieder herauszukommen. Ich bin aber auch schon alt genug und weiß, dass man den Menschen doch noch eine zweite oder dritte Chance einräumen muss.
Gestern habe ich einen Besuch im Krankenhaus gemacht. Dort gibt es eine Allee, die mitten zwischen den Häusern durchführt. Doch flaniert nicht nur das Personal, sondern auch Besucher und Patienten. Ich hatte etwas Zeit, bevor ich meinen Besuch abstatten konnte und saß dort in der Sonne. Hinter mir ging gerade ein riesiges Tohuwabohu los. Musik, Kindergekreische, laute fremdländische Worte und Gesang. Ich musste mich einfach umdrehen und gucken, was da los war. Menschen mit dunklerer Hautfarbe, gut angezogen und mit kleinen Kindern spielend, standen um ein Wesen herum, dass ziemlich klein sein musste, denn es wurde in dem rosa Tüll, das es umwickelte, herumgereicht und es wurden Fotos gemacht. Luftballons tanzten in der Luft und laute Musik.
Ich musste an diesen Menschen vorbei, um meinen Besuch machen zu können. Am Straßenrand stand ein roter Flitzer, der wohl auch zu diesen Leuten gehörte und im Nu ploppte bei mir im Kopf ein „War ja klar, dass die so ein Auto fahren“ auf. Dieses Auto von weißen Menschen, mit meiner Sprache sprechend, hätte mich vielleicht nur lächeln oder die Schultern zucken lassen. Warum kann man das nicht einfach abstelle? Warum benutzt man immer wieder seine Schubladen?
Ich wundere mich gar nicht mehr
Meine Woche begann nicht besonders toll. Gestern Abend habe ich mit einer lieben Freundin telefoniert und ihr mein Herz ausgeschüttet. Sie war nicht die Erste, der ich mein Leid geklagt habe. Aber sie war mir wichtig, dass ich es ihr auch noch erzählt habe. Meine Sorgen teile ich inzwischen schon lange nicht mehr mit der Welt. Die lasse ich nur noch im kleinen Kreis und das ist auch gut so!
Meine Woche war gefühlt dreimal so lang wie sonst. Ich habe viel gearbeitet, manche Träne verdrückt und auch manchmal gelacht. Vor allem, als ich versucht habe einer Kollegin beizubringen, wie man eine Bumerangferse strickt. Wir haben uns nach dem Dienst in ein Café um die Ecke gesetzt. Eigentlich hätte ich gerne einen Weltbesten Käsekuchen gehabt, stattdessen kam ein Von-gestern-Käsekuchen mit Aprikosenstückchen darauf. Na egal, Hauptsache ich kann R. beibringen, wie das mit dem Stricken geht. Ich muss wohl ziemlich geduldig sein, denn sie stellt mich wirklich auf die Probe, … Am Ende haben wir es auf einen anderen Tag verlegt, da muss ich noch einmal von vorne anfangen (davon bin ich überzeugt!), denn sie wird alles wieder vergessen haben. (Schubladendenken!)
Was war sonst noch los? Ich war mit dem Kerl im Kino. Wir haben uns den Film „Die Fotografin“ angesehen. Ich mal Lee Miller, sie hat ein gutes Auge gehabt. Sie ist die Fotografin, um die es sich in dem Film dreht. Ich war ein bisschen enttäuscht. Der Film ist sicherlich ganz gut gemacht, aber irgendwie hat er mich nicht überzeugt. Dabei habe ich schon ein Buch über diese außergewöhnliche Frau gelesen. Auch da hatte ich Schwierigkeiten, mich mit der Fotografin anzufreunden.
Heute treffe ich mich mit meiner ersten Grundschulklasse zum Pizza essen und Freundschaften wieder aufleben zu lassen. Ich bin gespannt, ob ich jeden erkenn. Ich vermute eher nicht, denn das ist verdammt lange her, dass ich meine Klassenkameraden gesehen habe. es könnten 50 Jahre sein … Und was hast du vor?
Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken, noch für Gefühle. Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt.
Liebe Andrea,
Schubladendenken – das hat doch jeder, doch man sollte die Schublade immer noch einen Spalt breit offen lassen.
Es tut mir sehr leid, dass du Sorgen hast, die dich auch noch traurig machen!
Ich wünsche dir eine gute neue Woche – mit weniger Sorgen und Traurigkeit!
Liebe Grüße
Ingrid
Liebe Andrea,
es tut mir leid, dass Du Kummer hast, der dich betrübt. Man kann schnell in Schubladendenken verfallen……Wichtig ist es, offen für die Menschen zu sein und sich ein eigenes Bild zu machen.
Eine Bumerangferse würde ich auch gerne stricken können, aber bisher ist es mir nicht gelungen. Ich kann nur die normale Ferse stricken, dafür habe ich eine schon sehr alte Anleitung. Aber ich habe schon wieder lange nicht gestrickt und die Socken für den Enkel liegen seit letztem Winter noch unvollendet hier.
LG Agnes
Ein Glück, dass wir unsere Gedanken reflektieren können. Und wie oft wird man dann positiv überrascht. Der erste Eindruck kann ja niemals das ganze Bild sein. Ich wünsche dir ein entspannendes Wochenende und hoffe, die Klassenzusammenkunft war ein schönes Erlebnis. Liebe Grüsse von Regula
Grundsätzlich finde ich das Schubladendenken nicht schlecht, aber man sollte auch bereit sein eine Vorgefasste Meinung zu revidieren. Wenn wir mehr aufeinander zugehen würden, würde sich vieles relativieren, was in unseren Köpfen vorgeht.
Eine gute Freundin bei der auch die Sorgen gut verstanden werden, ist Gold wert.
L G Pia
„Schubladendenken“ ist normal, kommt auch in der Tierwelt vor! Es kommt durch jahrhundertenlangen Erfahrungen, Beobachtungen, Instinkten und ist oft lebensrettend. Nur wir Menschen können dieses Automatisierte mit (nach)denken bewußt steuern.
Ein schönes Wochenende
Was habe ich grade gelesen? Spaltung ist der Treibstoff autoritärer Kräfte. Und die sind bei uns ja heftig am Werk ( und lassen morgen entsprechende Ergebnisse befürchten ). Nur ist das keine Lösung für die Probleme, die uns zu schaffen machen. Ich kann die Befürchtungen der Namensvetterin aus Thüringen nachvollziehen…
Schade, dass der Film über Lee Miller nicht gefallen hat. Ich hab ein wunderbares Buch über ihr Nachkriegsleben von ihrem Sohn. Sie hat einfach viele traumatische Erfahrungen mit sich alleine ausmachen müssen, so mein Eindruck.
Dir ein sonniges Wochenende!
Astrid
Ja, das hat sie wohl! Sie hat niemals über ihre Erfahrung im Krieg gesprochen. Der Film war gut, aber mir nicht genug …
Hallo Andrea,
tatsächlich bin ich hier schon in meiner Heimat, weil ich heute auch Klassentreffen habe 😀.
Nur dass die Grundschule in den neuen Bundesländern 10 Jahre ging, man hat wirklich viel geteilt. Ich freue mich immer riesig.
Aber diesmal habe ich ein bisschen Angst, dass wir über Politik sprechen, dann wird es ein kurzes Treffen für mich!
Viele Grüße aus Thüringen, Astrid
Ich habe die Schule gewechselt, weil wir in einen anderen Bezirk gezogen sind. Die Fahrt mit den Öffis wäre einfach zu weit gewesen. Dir viel Spaß heute
Grundschule in der DDR waren die ersten 4 Jahre. 5- 10 hieß Polytechnische Oberschule. 11 un 12, früher 9 bis 12, war die Erweiterte Oberschule. Darum gab es Grundschullehrer und Hortner für die Klassen 1-4. LG Sunni